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Bob Tyrrell: Meister des Realismus – Exklusives Interview

Publiziert: 29.01.2025, 16:20
„Ein gutes Tattoo erzählt eine Geschichte – und die besten Geschichten sind zeitlos.“

Bob Tyrrell ist eine lebende Legende der Tattoo-Welt. Berühmt für seine meisterhaften Black-and-Grey-Arbeiten hat er die Kunst des realistischen Tätowierens revolutioniert und sich weltweit einen Namen gemacht. Mit fast 30 Jahren Erfahrung in der Branche hat er unzählige ikonische Werke geschaffen und ist eine Inspiration für Künstler/innen und Tattoo-Liebhaber/innen gleichermassen.

Was Bob von anderen unterscheidet, ist nicht nur sein technisches Können, sondern auch seine Leidenschaft, mit jedem Tattoo eine einzigartige Geschichte zu erzählen. Seine realistischen Porträts und detaillierten Arbeiten sind geprägt von Tiefe und Ausdrucksstärke, die ihm internationale Anerkennung eingebracht haben.

Im exklusiven Interview mit tattoo.ch gibt Bob Tyrrell Einblicke in seine Anfänge, seine künstlerische Vision und die Entwicklungen in der Tattoo-Welt, die ihn geprägt haben.

Anfänge & Inspiration

Hi Bob, du hast deine Karriere im Tätowieren erst relativ spät begonnen. Was hat dich dazu inspiriert, in die Tattoo-Branche einzusteigen?

Bob Tyrrell: Ich habe auch relativ spät angefangen, mich tätowieren zu lassen. Mein erstes Tattoo habe ich kurz vor meinem 30. Geburtstag bekommen. Ich wollte schon eins, seit ich 18 war, habe es aber jahrelang aufgeschoben. Als ich dann endlich mein erstes Tattoo bekam, war ich sofort süchtig – wie die meisten von uns. Ich liess mich danach intensiv tätowieren. Zu dieser Zeit fing ich auch wieder an zu zeichnen, nachdem ich seit der Kunstklasse in der High School nichts mehr gemacht hatte.

Mit 31 oder 32 Jahren nahm ich ein paar Kunstkurse und entdeckte wieder meine Liebe zur Kunst. Nach etwa drei Jahren, in denen ich mich tätowieren liess und künstlerisch tätig war, entschied ich mich, ein Praktikum zu suchen. Ich begann im Alter von 34 Jahren mit dem Tätowieren. Mein Praktikum absolvierte ich bei Eternal Tattoos in Detroit, wo ich auch lebe.

Wer oder was hatte den grössten Einfluss auf deinen künstlerischen Stil in deinen frühen Jahren?

Bob Tyrrell: Als ich wieder mit dem Zeichnen anfing, wurde ich stark von einigen meiner Lieblingskünstler beeinflusst, wie Frank Frazetta, H.R. Giger und meinem Vater. Nachdem ich mit dem Tätowieren begann, waren Tätowierer/innen meine grössten Inspirationen. Tom Renshaw, der mir bei Eternal Tattoos das Tätowieren beibrachte, war damals der beste Black-and-Grey-Porträt-Tätowierer der Welt. Wirklich. Ich hätte in keinem besseren Studio lernen können. Er war meine grösste Inspiration, da ich mich irgendwann auf Porträts spezialisieren wollte.

Mein anderer grosser Einfluss war Paul Booth, er hat mich vier Jahre lang tätowiert, bevor ich selbst anfing zu tätowieren. Ich bin ein grosser Horrorfan und Paul war damals mein Lieblings-Tätowierer – wahrscheinlich ist er das immer noch! Er hat meinen gesamten Oberkörper tätowiert, abgesehen von meinem rechten Arm, der von Mario Barth gemacht wurde. Ich wurde von vielen Tätowierer/innen beeinflusst, zu viele, um sie alle zu nennen. Ein paar Namen: Robert Hernandez, Jack Rudy, Brian Everett, Filip Leu, Corey Miller und viele mehr.

Persönlicher Stil & Technik

Deine Black-and-Grey-Arbeiten sind weltberühmt. Was fasziniert dich an dieser Stilrichtung besonders und warum hast du dich darauf spezialisiert?

Bob Tyrrell: Ich habe Black-and-Grey-Kunst schon immer bevorzugt. In den drei Jahren, in denen ich vor dem Tätowieren kreativ arbeitete, habe ich ausschliesslich mit Bleistift und Kohle gearbeitet. Selbst als Kind habe ich immer nur mit dem Bleistift gezeichnet. Auch meine eigenen Tattoos sind alle in Black-and-Grey. Irgendetwas daran ist einfach zeitlos. Ich liebe die Tiefe und die Details, die ich damit erzielen kann.

Welche Tattoo-Tools und -Techniken bevorzugst du aktuell und wie haben sie sich im Laufe der Zeit entwickelt?

Bob Tyrrell: Ich bin vor etwa zehn Jahren von Coil-Maschinen (oder, wie ich sie nenne, „echte Maschinen“) auf Rotary-Maschinen umgestiegen. Ich mag einfach die Bequemlichkeit. Mit den Nadelkartuschen, die man einfach ein- und auswechseln kann, brauche ich jetzt nur noch eine Maschine. Mit Coil-Maschinen musste ich für jede Nadel eine eigene Maschine einrichten. Derzeit benutze ich eine Bishop Power Wand Packer, die ich liebe. Ausserdem verwende ich Davinci-Kartuschen, die von Bishop hergestellt werden. Davor habe ich Cheyenne-Maschinen verwendet, die ebenfalls grossartige Maschinen und Kartuschen herstellen. Für die Farbe verwende ich ein Bob Tyrrell Signature Set, das ich liebe.

Künstlerische Herausforderungen

Gibt es ein bestimmtes Motiv oder eine Technik, die du besonders herausfordernd findest?

Bob Tyrrell: Die grösste Herausforderung ist der Hauttyp und die Stelle am Körper, die du tätowierst. Manche Menschen haben zähere Haut, lockere Haut oder Haut, die schnell rot wird und stärker blutet. Ich habe erst beim Tätowieren realisiert, wie viele verschiedene Hauttypen es gibt. Gelegentlich treffe ich auf diese perfekte „Tattoo-Haut“ – wenn das passiert, weiss ich, dass es ein guter Tag wird! Verschiedene Körperbereiche sind auch unterschiedlich schwer zu tätowieren. Ich liebe es, Arme und die meisten Teile der Beine zu tätowieren. Schwieriger sind der Bauch, die Brust und der Nacken. Ich hasse es, Hälse zu tätowieren! In meinen 28 Jahren habe ich nur vier Hälse tätowiert und hoffe, dass ich nie wieder einen machen muss.

Entwicklung der Branche

Wie hat sich die Tattoo-Welt verändert, seit du angefangen hast? Siehst du diese Entwicklung positiv oder kritisch?

Bob Tyrrell: In den 28 Jahren, in denen ich tätowiere, hat sich viel verändert. Positiv ist, dass das Niveau der Tattoo-Kunst und -Technik enorm gewachsen ist und sich weiterentwickelt. Es wird immer besser und das ist grossartig. Der Nachteil ist, dass die Branche ein bisschen zu gross geworden ist. Tattoos wurden im Laufe der Jahre immer beliebter und immer mehr Menschen wollten lernen, wie man tätowiert. Das ist grundsätzlich cool, aber es gibt auch viele, die weder zeichnen können noch künstlerisches Talent haben. Diese Leute haben in der Branche nichts zu suchen. Sie tätowieren schlechten Kram auf Menschen, die damit leben oder es weglasern oder covern lassen müssen. Leider war das schon immer so. Wir alle haben schon schreckliche Tattoos gesehen.

Ein weiterer Nachteil ist die Flut an neuen Studios und Hobby-Tätowierer/innen, die nur Geld verdienen wollen. Die Ethik und der Respekt unter Tätowierer/innen sind grösstenteils verschwunden. Früher war die Tattoo-Welt viel kleiner. Es war etwas Besonderes. Die Magie verschwindet langsam. Ich vermisse die alten Zeiten.

Was hältst du von modernen Technologien wie Rotary-Maschinen oder digitalen Tools für Tattoo-Designs?

Bob Tyrrell: Ich liebe Rotary-Maschinen wegen ihrer Bequemlichkeit, Nadelkartuschen und jetzt sind sie kabellos! Kein Kabel mehr, das im Weg ist und auch keine Pedale, auf die man treten muss. Und die digitalen Tools machen das Leben einfacher. Technologie! Das ist schon cool.

Erfolge & Meilensteine

Gibt es ein Tattoo oder Projekt, auf das du besonders stolz bist?

Bob Tyrrell: Es gibt bestimmte Tattoos, die in meiner Karriere herausgestochen sind. Einige coole Porträts oder massgefertigte Horror-Motive, die mir wirklich Freude bereitet haben. Ich habe unzählige Porträts von Musiker/innen, Schauspieler/innen und Prominenten gemacht – das sind immer tolle Arbeiten, an denen ich Spass habe.

Was war dein schönster oder bedeutendster Moment in deiner Karriere?

Bob Tyrrell: Es gab so viele, dass ich gar nicht sagen könnte, welches der schönste war! Es sind so viele erstaunliche Dinge in meiner Tattoo-Karriere passiert. Das Reisen war unglaublich – die Welt zu sehen. Ich war überall und das alles wegen des Tätowierens. Ohne das Tätowieren hätte ich nie Länder wie Südafrika, Japan, China, Australien, ganz Europa, Südamerika und viele andere Orte besucht. Das wäre alles nicht passiert – es sei denn, ich hätte vielleicht mit einer Band getourt oder so etwas! Die Freundschaften, die ich weltweit geschlossen habe, sind wirklich etwas Besonderes.

Tätowierungen für einige meiner Gitarrenhelden zu machen und mit ihnen befreundet zu werden, war ein grosses Plus! Ich lege keinen grossen Wert auf Auszeichnungen, aber ich habe einige Best of Show-Awards auf Conventions gewonnen und die haben mir wirklich viel bedeutet. Aber ich denke, der beste Teil dieser Tattoo-Reisen sind all die wunderbaren Menschen, welche ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe.

Ratschläge für Nachwuchs-Tätowierer/innen

Welchen Rat würdest du jungen Künstler/innen geben, die gerade erst in die Tattoo-Welt einsteigen?

Bob Tyrrell: Ich würde sagen, es ist wirklich wichtig, sich eine Lehre in einem guten Studio zu suchen. Es ist entscheidend, von Anfang an den richtigen Weg zu lernen. Bleib demütig. Sei freundlich! Und natürlich: Gib bei allem dein Bestes. Beeile dich nie bei einem Tattoo. Lerne und entwickle dich ständig weiter.

Welche Eigenschaften sind deiner Meinung nach essenziell, um in der Branche erfolgreich zu sein?

Bob Tyrrell: Gute Tattoos machen und nett zu den Menschen sein. Respektiere diejenigen, welche vor dir kamen. Es ist wichtig, die Geschichte des Tätowierens zu kennen.

Persönliche Einblicke & Vision

Was machst du, wenn du nicht tätowierst?

Bob Tyrrell: Wenn ich nicht tätowiere, spiele ich unglaublich gerne Gitarre. Ich spiele seit 47 Jahren immer wieder in Bands. Derzeit spiele ich in zwei Bands. Eine davon heisst About Kings, das ist die Band von Mario Barth. Die Jungs in der Band sind grossartige Musiker! Die andere Band ist eine Down Tribute Band, die wir Upside Down nennen. Es ist ein lustiges Projekt mit Freunden, die alle in anderen Bands spielen.

Abgesehen davon mache ich in meiner Freizeit gerne Bleistiftzeichnungen. Ich gehe auf viele Konzerte! Ich sage immer, ich plane mein Leben um Shows herum. Ich trage sie alle in den Kalender ein und plane meine Tattoo-Termine drumherum. Ausserdem liebe ich es, fernzusehen, aber genauso geniesse ich es, draussen zu sein, wenn es warm ist. Im Sommer sitze ich gerne auf meiner Terrasse – mit Kaffee und Gitarrenmagazinen.

Hast du andere kreative Hobbys oder Leidenschaften?

Bob Tyrrell: Neben dem Tätowieren und Musikmachen ist das Zeichnen für mich eine grosse Leidenschaft und es hält mich kreativ.

Wie stellst du dir die Tattoo-Welt in den nächsten zehn Jahren vor?

Bob Tyrrell: Ich denke, sie wird noch weiter „verwässert“ sein und noch mehr Mainstream werden. Es wird zu viele Conventions geben. Aber es wird auch viele grossartige Tattoos geben!

An welchen Projekten arbeitest du derzeit und worauf können wir uns in Zukunft von dir freuen?

Bob Tyrrell: Ich tätowiere weiterhin und zeichne Monster-Motive. Ich möchte weitere Kunstdrucke herstellen und verkaufen, ausserdem möchte ich meinen Merch-Store aufbauen. Momentan arbeite ich an Shirts, die bald erhältlich sein werden. Ich möchte T-Shirts, Hoodies, Kaffeetassen, Kunstdrucke und meine DVDs verkaufen. Alles wird auf meiner Website bobtyrrell.com zu finden sein. Mein Instagram ist @bobtyrrell.

Vielen Dank, Bob, für das inspirierende Gespräch. Deine Arbeiten sind nicht nur beeindruckend, sondern auch eine Quelle der Inspiration für die globale Tattoo-Szene.

Mehr Infos über Bob Tyrrells zukünftige Projekte findest du unter bobtyrrell.com.

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